Was kommt in den Tank?

Wer im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg herumschlendert, findet sich womöglich plötzlich vor einem Haus, an dessen Fassade auffällige grüne Glastanks hängen. Es handelt sich um das BIQ, das weltweit erste Haus mit Algenbioreaktor. In den Glastanks leben Mikroalgen. Die winzigen Lebewesen nutzen das Sonnenlicht, um zusammen mit CO2 und den Nährstoffen Stickstoff und Phosphor Biomasse zu erzeugen. Die Vorteile sind vielfältig, so wird über die Biomasse CO2 gespeichert und es wird Methan als erneuerbare Energiequelle erzeugt, die im Gebäude genutzt werden kann. Das Problem: Die so erzeugte Energie reicht bisher nur für den Energieverbrauch einer Wohnung – das Haus hat allerdings 15 Wohneinheiten. Dennoch zeigt dieser Modellversuch: Es gibt klimafreundliche Alternativen zu Sonne und Wind und die sind auch dringend nötig, um die sogenannte Energiewende zu schaffen.
ES SCHEINT NICHT IMMER DIE SONNE
So wichtig Erneuerbare Energien sind, so problematisch ist es, diese Entwicklung auf die Themen „Sonne“ und „Wind“ zu reduzieren. Denn wenn wir zum Beispiel von Mobilität sprechen, meinen wir zumeist nur die Straße. Autos und Busse lassen sich mittelfristig in einem gewissen Umfang auf Elektromotoren umstellen. Aber wie sieht es mit Flugzeugen und Schiffen aus oder im Güterverkehr? Zudem scheint die Sonne nicht jeden Tag und selbst an den Küsten bläst nicht ständig ein kräftiger Wind. Offen bleibt auch die Frage nach der Speicherung des so erzeugten Stroms. Große Speicherkapazitäten sind nämlich derzeit nicht in Sicht. Welche Alternativen gibt es also, um die Klimaziele zu erreichen?
AUS SONNE UND WIND WIRD WASSERSTOFF
Wie wäre es damit, Sonne und Wind zu verflüssigen? Der Fachbegriff dafür lautet: „Power-to-Liquid“. Das Prinzip dahinter ist im Grunde simpel: Der durch Sonne-, Wind-, oder Wasserkraft produzierte Ökostrom erzeugt aus Wasser mittels Elektrolyse Wasserstoff und Sauerstoff. Einmal ist es nun möglich, den Wasserstoff direkt zu verwenden – zum Beispiel für Autos mit Brennstoffzelle. Alternativ dazu kann man den Wasserstoff mit CO2 reagieren lassen. Dabei wird das benötigte CO2 entweder direkt aus der Luft, aus Abgasen oder auch aus Algen gewonnen. Es entstehen so Kohlenwasserstoffverbindungen, die dann als sogenannter „E-Diesel“ genutzt werden können.
Die Umwandlung von Ökostrom in flüssige Treib-stoffe bietet dabei eine Reihe von Vorteilen. Einmal lässt sich der so „verflüssigte Strom“ wunderbar speichern, denn man kann bestehende Tanks nutzen. Zudem ist es leicht, diesen Treibstoff zu transportieren, denn ein Netzwerk von geeigneten Pipelines existiert bereits. Mit anderen Worten: Die Infrastruktur ist schon vorhanden – anders als die noch einzurichtenden Ladestationen für E-Autos. Und nicht zuletzt können diese klimaneutralen Treibstoffe auch für den Schwerlast-, Schiffs- und Luftverkehr genutzt werden.
WARUM WIRD DAS NOCH NICHT GEMACHT?
Neben den Vorteilen gibt es natürlich auch Nachteile: Einer der größten war bisher die Ineffizienz des Umwandlungsprozesses, denn man brauchte sehr viel Strom, um sehr wenig E-Diesel herzustellen. Dieser Umstand machte die Elektrolyse unrentabel. Kritiker bemängelten deshalb, dass es besser sei, den Strom direkt zu nutzen. Stück für Stück gelingt es jedoch mittlerweile, den Wirkungsgrad zu verbessern. Das Karlsruher Institut für Technik, kurz KIT, hat in einem Forschungsprojekt einen Wirkungsgrad von 76% erreicht. Das heißt, aus 100 Einheiten Strom produzierten sie 76 Einheiten Treibstoff. Auch wenn das bedeutet, dass noch knapp ein Viertel des eingesetzten Stroms bei der Herstellung des Treibstoffes verloren geht, ist das ein ermutigendes Zeichen. Ziel ist es zudem, diesen Verlust noch weiter zu verringern.
DAS EINE TUN, OHNE DAS ANDERE ZU LASSEN
Ob nun reine Elektroantriebe oder die Herstellung synthetischer Kraftstoffe: Es geht nicht darum, das Eine gegen das Andere zu stellen. Vielmehr bedeutet der Klimawandel eine so große Herausforderung, dass es nötig ist, alle innovativen Technologien und Konzepte einzubinden, die helfen können, die Energiewende zu meistern.